Von Vent über den Spiegelferner und das Ramoljoch (3189m) auf das Ramolhaus (3006m)

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Sommer- Hochtour mit Hindernissen

Eigentlich haben wir noch überlegt, ob wir überhaupt fahren sollen, denn die Wettervorhersage für das Venter Tal ist unstet bis miserabel. Je nachdem ob man Bergfex oder die Wetter-App des DAV befragt, schwanken die Aussichten zwischen wechselhaft und regnerisch. Doch weil "wechselhaft" in den Bergen auch schnell mal "überwiegend sonnig" werden kann und sich die Gelegenheiten für eine zweitägige Tour auch aus beruflichen Gründen in Grenzen halten, packen wir am Freitagabend doch unsere Rucksäcke und starten in Richtung Süden.

Vent empfängt uns nachts mit Regen und Wind und unsere Hoffnungen auf eine genussvolle Tour schwinden. Doch der Wirt unseres Hotels im Tal macht uns Mut: Die letzten Wochen sei das Wetter niemals so gekommen wie prognostiziert. Nun gut, wir warten den Morgen ab.
Als um 6:00 Uhr der Wecker klingelt ist es draußen schon hell und uns begrüßt eine märchenhafte Landschaft mit zart bezuckerten Bergspitzen und freundlichen Schäfchenwolken vor strahlend blauem Himmel. Glück gehabt!
Jetzt aber schnell los! Wir starten unsere Tour gegen 7:30 Uhr in Vent, wo wir hinter dem Hotel Similaun über einen kleinen Zugangspfad auf den unseren Weg gelangen. Dieser führt uns gut befestigt und markiert mäßig steil bergauf. Erst als wir nach etwa einer halben Stunde den Wald hinter uns lassen und die ersten Neuschneefelder erreichen, wird es etwas schwieriger, die Markierungen zu erkennen. Dennoch finden wir den Weg leicht und können die malerische, von der Sonne beschienene Landschaft in vollen Zügen genießen.


Nach und nach wird der Aufstieg steiler und der Weg steiniger. Auf den schneenassen, teils losen Steinen ist mehr und mehr Trittsicherheit gefragt und wir kommen durch Sonne und Anstrengung bald ins Schwitzen. Um circa 11:30 erreichen wir – nach 3,5 Stunden und einer halbstündigen Pause – den Spiegelferner, einen kleinen, spaltenarmen Gletscher unterhalb des Hinteren Spiegelkogels.
Zwar kann das Ramolloch auch leicht – oder leichter – ohne Gletscherberührung erreicht werden, doch da wir vorhaben, am Folgetag über die Nordflanke auf dem Eis auf den Gipfel aufzusteigen, möchten wir hier schon mal die Sicherungstechniken im Eis mit Seil und Eisschrauben wiederholen und gehen deshalb einen kleinen Umweg über den Gletscher und die Flanke hinauf auf den Nordgrad des Hinteren Spiegelkogels.

Es wird also Zeit die Gletscherausrüstung herauszuholen. Das heißt Steigeisen an die Füße, Helm auf den Kopf (wegen Steinschlag und Spaltensturz – beides hier unwahrscheinlich, aber man weiß ja nie...), Pickel in die eine und Stock in die andere Hand und natürlich anseilen. Als 2 er-Seilschaft halten wie mindestens 12 Meter Abstand und sichern sicherheitshalber zusätzlich mit drei Bremsknoten à 1,5 Meter Abstand.

Schon während wir den Gletscher überqueren wird das Wetter langsam schlechter und als wir uns im Aufstieg zum Grad befinden fängt es an zu schneien. Wir beschließen, unsere Übungen vorzeitig abzubrechen. Eine gute Entscheidung. Oben bei der Überquerung des Grads wird es im Schnee schon ungemütlich und wir sind froh, als wir das Ramoljoch und damit den mit Drahtseilen gesicherten Steig zum Ramolhaus erreichen.
Nun geht es noch einmal knapp 200 Höhenmeter steil am Fels bergab und durch sulzigen Neuschnee zur Hütte. Das Ramolhaus steht in der Kritik keine "richtige Hütte" zu sein, da sie zu viel Komfort bietet. Ich gebe ohne Scham zu: Nach einem anstrengenden Aufstieg und der gerade durchstandenen Schneeeinlage freue ich mich über die gut beheizten Räume, ein köstliches Abendessen und das (!) Federbett, das wir hier geboten bekommen. So viel Prinzessin steckt dann doch in mir :)

Als wir am nächsten Tag aus dem Fenster blicken, bietet sich uns ein weihnachtlich anmutendes Bild (jedenfalls was unsere Idealvorstellung von Weihnachten angeht). Tief verschneit liegt die sommerliche Landschaft vor uns. Kurz bevor wir losziehen, verwerfen wir unseren Plan, den Gipfel von der Hüttenseite des Grads zu besteigen auf Anraten des Hüttenwirts und beschließen stattdessen direkt über das Ramoljoch nach Vent zurückzukehren. Der Nebel klebt zu dicht an den Gipfeln und der Wind ist ungemütlich kalt. Wir kommen lieber wieder, wenn der Aufstieg mehr Spaß macht!
Während des Abstiegs heben ein paar Murmeltiere unsere Stimmung, die uns frech von den seitlichen Felshaufen aus beobachten. Langsam wird die Landschaft wieder lieblicher, die Temperaturen wärmer und schließlich kehren wir in den Ort und in die Zivilisation zurück, wo wir uns mit einer kühlen Johannisbeerschorle belohnen.