Wie verhalte ich mich als Bergsportler umsichtig in der Corona-Krise?

Photo by Martina Wengenmeir

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“Die Berge stehen noch länger”

Bergluft schnuppern, oder lieber zuhause bleiben? Wie verhalte ich mich als Bergsportler umsichtig in der Corona-Krise? Wir haben die Experten aus der Zugspitz-Region gefragt.

Ob Stadt oder Land, Berge oder Fläche, die Corona-Krise hat im Moment sämtliche Bereiche unseres Lebens fest im Griff. Arbeit, Gesundheit, Familie und Freunde, Freizeit und Sport, es gibt kaum etwas, das nicht von der aktuellen Situation beeinträchtigt ist. Einzelhandel und Gastronomie sind geschlossen und seit dem Wochenende gelten Ausgangsbeschränkungen in Bayern und Kontaktverbot im Rest von Deutschland. Auch in den Nachbarländern herrschen ähnliche Verbote und Sperren, genauso sind die Grenzen nicht mehr unkontrolliert passierbar.

Auch unsere Communities trifft die Krise. Ski- und Tourismusregionen wurden bis auf weiteres frühzeitig geschlossen, Testivals abgesagt, Laufveranstaltungen und andere Events gestrichen. Auch Kurse und Reisen mussten von den Anbietern auf Grund der gesundheitlichen Risiken und zu Gunsten der Eindämmung des Virus gecancelt werden. Was bedeutet Corona für uns als Bergsportler, die wir alle gerne draußen sind?

Wir Bergsportler verbringen gern so viel Zeit wie möglich in der Natur und genießen dort vor allem auch die Einsamkeit. Das müsste in einer Zeit des "Social Distancing" doch genau das Richtige sein, oder etwa nicht? Die meisten von uns sind stark verunsichert, wie sie sich am besten verhalten sollen. Drinnen bleiben? Alleine laufen gehen an der Isar? Einmal kurz auf den Berg hinterm Haus im Dorf? Was ist noch erlaubt und wie verhalte ich mich vernünftig, damit wir diese Krise alle gut und so schnell wie möglich überstehen? Was kann ich tun, um die Outdoor-Community zu unterstützen? Viele Fragen, auf die es verschiedene Empfehlungen gibt, die Antworten muss allerdings jede für sich selbst finden.

Darf ich überhaupt noch in die Berge?

Während in den vergangenen Wochen empfohlen wurde, den direkten sozialen Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden, sprach eigentlich nichts gegen einen Ausflug in die Berge. Bis man am Gipfel dann eine Horde an Menschen antraf, die die gleiche Idee hatten. Mit der Ausgangssperre sieht die Situation aber nun ja anders aus und das Berggehen ist rechtlich geregelt oder nicht?

Grundsätzlich handelt es sich bisher nicht um eine Ausgangssperre, sondern lediglich um eine Ausgangsbeschränkung in Bayern, dem Saarland und Sachsen (in den anderen Bundesländern wurde ein Kontaktverbot ausgerufen und auch in Österreich gibt es Auflagen, die den Kontakt und das Verlassen der Wohnung regeln). Wenn triftige Gründe vorliegen, darf die eigene Wohnung verlassen werden. Bewegung an der frischen Luft ist beispielsweise solch ein triftiger Grund und auch weiterhin erlaubt. Gegen eine Laufrunde an der Isar spricht also soweit nichts. Hauptsache allein.

Auf den Seiten des bayerischen Ministeriums wird beispielsweise Joggen oder Spazieren gehen explizit genannt. Nicht genauer beschrieben wird allerdings, wo dieser Spaziergang oder die Laufrunde stattfinden darf. Wichtig nur, dass sie alleine stattfindet oder wenn in Gesellschaft, dann nur in derer, die im gleichen Haushalt wie man selbst leben. Also entweder Familie, Partner, oder aber auch Mitbewohnerinnen und Mitbewohner einer WG.

Prinzipiell dürfte man auch mit dem Auto in ein etwas entferntes Waldstück fahren um dort Sport zu betreiben oder eben in die Berge. Aus Verwaltungskreisen heißt es jedoch, es bestehe keine Garantie, dass die örtliche Polizei dies ebenfalls als dringende Tätigkeit (laut Allgemeinverordnung) einschätzt.

Experten animieren zum Verzicht

Weitere Anreise mit dem Auto trägt allerdings auch zur weiteren Verbreitung der Viren bei.

Und auch die Einheimischen sehen die Anreise aus München oder anderen größeren Städten mit Bedenken, da mit einer größeren Anzahl Menschen auf den Wegen und Gipfeln aber auch in den Ortschaften die Verbreitung der Viren gefördert wird.

Bergwacht Bayern.jpg

Sicherlich tut eine Runde spazieren gut, gerade wenn man direkt in den Bergen wohnt. “Ich verstehe da auch jeden, der sich bewegen will. Ich will ja auch raus”, sagt Franz Perchtold. Er ist Mitglied der Bergwacht und hauptberuflicher Bergführer sowie Inhaber der Bergsportschule “Die Bergführer” in Ohlstadt. Mit mehr als 27 Jahren Erfahrung weiß der Bergführer, dass Verantwortungsbewusstsein dabei im Moment absolut essentiell ist. Wenn man in den Bergen wohnt und unbedingt nach draußen muss, sollte man auf jeden Fall im Erholungsbereich und beim Spazierengehen bleiben, um absolut sicher zu gehen, dass nichts passiert und man nicht auf die Bergrettung angewiesen ist. Denn wenn's dumm läuft, kann selbst auf einfachen Steigen und Wegen immer etwas passieren. Franz Perchtold rät deshalb zum Verzicht.

“Man muss einfach ein bisschen mehr nachdenken gerade, ob das wirklich jetzt sein muss. “

Auch die Bergwacht, beispielsweise aus Garmisch-Partenkirchen, aber auch bei den Nachbarn in Tirol, bitten auf Facebook um Verzicht, da jedes noch so kleine Risiko am Berg zum Risiko für uns alle wird. Wenn etwas passiert, binden Verletzte nicht nur Kapazitäten von Ärzten und Rettungspersonal, sondern belegen auch Betten und Ressourcen im Krankenhaus. Gleichzeitig besteht bei der Bergung natürlich auch immer die Gefahr, dass sich die Bergretter anstecken. Wenn hier eine Infektion festgestellt wird und die Retter unter zweiwöchige Quarantäne gesetzt werden, kann es unter den Ehrenämtlern schnell zu Engpässen kommen. Gleichzeitig kommt der Bergwacht eine Schlüsselposition im Gebirge zu, da sie die einzigen Rettungskräfte sind, die die Bergung und Rettung von Verletzen dort leisten können.

Eigentlich ist gerade Hochsaison für Skitourenreisen. Franz Pechtold war noch vor ein paar Wochen auf Kreta auf Firn-Skitour mit Kunden. Momentan ist dagegen eher Büro-Arbeit angesagt. “Ich bin zwar im Büro, aber allein und die Tür ist zugesperrt um Laufkundschaft zu vermeiden”, erklärt er.

Alle geplanten Skitouren-Reisen, auf die die Bergschule spezialisiert ist, zum Bespiel nach Norwegen, wo vom Schiff verschiedene Routen auf Ski angegangen worden wären, wurden für dieses Jahr abgesagt. Und auch das Sommerprogramm ist ungewiss: Ob Alpenüberquerungen möglich sein werden, bleibt abzuwarten, denn keiner weiß, wie die Situation sich hinsichtlich der Pandemie entwickelt oder aber, wann die Grenzen zu den Nachbarländern wieder geöffnet sind.

“Aktuell planen wir und stellen ein Programm auf die Beine, damit wir direkt wieder loslegen können, wenn alle wieder nach draußen dürfen. Auch mit Angeboten innerhalb Deutschlands. Zum Glück sind wir gut etabliert und mit einem tollen Team auch super aufgestellt. Aber viele kleine Kollegen wird diese Phase hart treffen. “

Unterstützt die Community und die Locals

Zuhause sitzen und nichts tun ist natürlich nicht immer das Leichteste. Als aktiver Mensch kann man sich dabei ganz schön nutzlos vorkommen, obwohl ja ein persönlicher Beitrag geleistet wird, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Gesundheit hat Vorrang, damit wir bald wieder unsere geliebten Freizeitbeschäftigungen ausführen können. Also heißt es Abhilfe schaffen: Bilder von vergangenen Abenteuern sortieren und in Erinnerungen schwelgen, zukünftige Touren planen und ToDo Listen schreiben, Magazine lesen und Outdoor-Filme schauen, Knoten üben oder aber die Slackline im Garten spannen, wenn man einen hat.

Neben Beschäftigungstherapie kann man aber auch sonst noch einiges tun um die Outdoor-Community und alle, die in ihr arbeiten, zu unterstützen. Klar, wir alle lieben auch mal die Einsamkeit und die Stille der Berge, aber oft lebt eine Tour vom Gruppengefühl und den Leuten, die man unterwegs trifft.

Der Druck auf die Outdoor-Branche und ihre Community ist durch die aktuelle Situation groß. Viele Selbstständige, kleinen Unternehmen oder auch Betriebe im Einzelhandel sehen sich finanziell in einer schwierigen Lage. Gäste und somit Einkommen bleiben in den geschlossenen Tourismusregionen aus. Kurse von Bergführern und Bergschulen müssen verschoben oder komplett gecancelt werden. Einzelhändler, die gerade ihre Frühjahrs-Kollektion bekommen haben und sowohl Lieferanten als auch Ladenmieten und Angestellte zahlen müssen, wissen nicht genau, wann sie wieder mit Umsätzen rechnen können (neben dem Online-Geschäft, das sich für mache aber auch nicht direkt von 0 auf 100 anschieben lässt). Agenturen und Veranstalter müssen ihre Events absagen oder auf unbestimmten Zeitpunkt verschieben. Und auch bei Magazinen und anderen Medien brechen Anzeigenbudgets aus der Branche weg und das Fortbestehen ist ungewiss.

Gerade jetzt, sollten wir aufeinander achten. Wer kann, sollte zweimal darüber nachdenken, sein Geld für verschobene Veranstaltungen zurückzufordern, das Geld lieber beim Veranstalter “parken”.
Ausgegeben ist es sowieso schon und bereits gebuchte und gezahlte Kurse erhalten in der Regel ihre Gültigkeit für den Nachholtermin oder auch das nächste Jahr. So hat man gleichzeitig etwas zum Vorfreuen.
Gleichzeitig kommt so nicht nur der Bergführer hier über die Runden, sondern auch der kleine Schiffsbesitzer in Norwegen, der aktuell genau keine Umsätze verbucht. Damit hilft man nicht nur, sondern sichert sich auch direkt einen Platz.

“Ich glaube, dass es zu einem Boom kommen wird, wenn alle wieder nach draußen und verreisen dürfen. Das ist auch wichtig, aber natürlich können dann auch die Plätze knapp werden, wenn es um beliebte Reisen geht. Wenn ich mein Geld “parke”, habe ich so auch direkt den Platz im nächsten Jahr sicher”, schätzt Franz Pechtold die Lage ein.

Wie am Berg, muss letztendlich jede die Entscheidungen treffen, die für sie selbst richtig sind und muss für sich nachdenken, wie sie zur Situation im Moment beitragen kann. Das Gefühl richtig zu handeln und die Vorfreude auf den nächsten Abstecher in die Berge sollten dafür Motivation genug sein. Wir gehen jetzt erstmal Joggen, “die Berge stehen noch länger”.


HINWEIS:

In der aktuellen Situation ändert sich die Informationslage beinahe durchgehend und die Infos in diesem Artikel sind vielleicht schon veraltet, wenn ihr auf ihn stoßt.
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